...und kein Mann der Worte – ein Stück

Hermann Staupe... > Hermann Staupe > ...und kein Mann der Worte – ein Stück

Lie­ber Her­mann“, so schreibt er in sei­ner Mail,

du hast ja mei­nen Cou­sin schon ken­nen gelernt, die­sen unglaub­lich unglaub­wür­di­gen Schacht­ler, der die Unei­gen­art hat, das Voll­verb immer erst am am Ende eines Sat­zes, egal wie lang die­ser ist, wel­chen Sinn oder Unsinn er haben mag, was natür­lich auch immer oder pri­mär im Auge – oder bes­ser ‑im Ver­stand des Betrach­ters liegt, zu set­zen. (Naa, Stau­peianer, wem kommt das bekannt vor?)

Ich hin­ge­gen bin, ganz aus der Art geschla­gen, wie du weißt, weiß Gott kein Mann der gro­ßen Wor­te. Schon gar nicht der über­flüs­si­gen. Und gar gar nicht der lee­ren. Wor­te müs­sen eine Bedeu­tung haben, einen Inhalt, einen Wert, eine Rele­vanz. Sie dür­fen nicht miss­braucht wer­den, um ein inhalt­li­ches Nichts zu kaschie­ren oder den Wort­ge­ber prunk­voll herauszuputzen.

Wor­te ohne Sinn und Sub­stanz, die zu Sät­zen ohne Sinn und Sub­stanz füh­ren, sinn- und sub­stanz­los. Dröh­nen­de Lee­re, voll­ge­stopft mit Wort­ge­klin­gel. Muss es nicht eigent­lich „Wör­ter“ hei­ßen? Machen Wör­ter nicht Wor­te? Was sie auf jeden Fall nicht machen, ist Sinn; aber gera­de das sol­len sie über­spie­len. Sie exis­tie­ren also, um die Sinn­lo­sig­keit ihrer Exis­tenz zu camou­flie­ren. Und das mit der Spreng­kraft einer Banane.

Ein­bei­ni­ge Tän­zer tan­zen den Tri­as-Wal­zer der rhe­to­ri­schen Stil­mit­tel, für vie­le der ein­zi­ge Tanz, den sie ken­nen, dar­um in End­los­schlei­fe. Die viel­be­sun­ge­nen Lot­sen des Geblub­be­re, die­se Nichts­nut­ze, Strol­che und Tage­die­be las­sen ein­zel­ne Wor­te, ein äußerst dür­res Rinn­sal, in klei­ne Kanä­le mün­den, zu trä­gen Flüs­sen, dann über glei­ßen­de Was­ser­fäl­le zu mäch­ti­gen Strö­men, durch Strom­schnel­len zu rei­ßen­den Mega­flüs­sen, die sich schließ­lich mit all ihrem Gesei­che in die Ozea­ne der Ver­ba­lona­nie ergie­ßen. Präch­ti­ge Bil­der vol­ler Far­be, mit dicks­tem Pin­sel auf­ge­tra­gen, Orna­men­te, Stuck und Ver­zier, phan­tas­ti­sche Alle­go­rien, vor ver­meint­li­cher Kraft strot­zen­de Meta­phern – alles wird von die­sen nichts­wür­di­gen Ver­sa­gern, Wich­ten und Blind­gän­gern ein­ge­setzt, um die Essenz zu kaschie­ren: Zero, nada, not­hing. Kein klei­nes biss­chen Sinn­ge­halt, kein Hauch von Gewicht, kein kleins­ter Fun­ken von Geltung.

Flos­kel­nar­ziss­ten drech­seln Wort­gir­lan­den und schaum­schla­gen Ver­bal­kas­ka­den. Sie schwät­zen, faseln und labern mit ihren Ungeis­tes­ver­wand­ten, den Spie­gel­fech­tern der Dop­pel­null, den Him­mels­stür­mern, die noch nie irgend­et­was für irgend­wen vom Him­mel geholt haben, und den Sphä­ren­schlei­fern des eige­nen Nichts. Leis­tungs­schwa­che Ver­sa­ger ohne For­mat, Blind­gän­ger ohne Prä­senz und Tage­die­be der Lücke, die ver­schlei­ern und ver­tu­schen, dass ihre hoh­len Phra­sen und lee­re Flos­keln nur Hun­ger­ha­ken und Klap­per­ge­stel­le sind, die nichts zwi­schen den Rip­pen haben, nur noch ein Hau­fen Kno­chen sind, Müll und wert­los. Gere­de ohne Inhalt, Gewäsch ohne Belang, Geschwa­fel ohne Bedeu­tung. Alles ein ein­zi­ges gro­ßes Pala­ver, eine end­lo­se Schwa­dro­na­de, in der sich Feu­er­spu­cker, Nebel­wer­fer und Ster­nen­tän­zer posi­tio­nie­ren und pro­sti­tu­ie­ren. Haupt­sa­che, es hört sich ein­drucks­voll an oder liest sich gut.

Mit pro­fes­sio­nel­ler Benut­zung eines The­sau­rus die intel­lek­tu­el­le Unfä­hig­keit kaschie­ren. Die eige­ne ver­ba­le Diar­rhöe immer schön mit wort­ge­wal­ti­ger Unver­bind­lich­keit ver­hei­ra­ten. Damit dies nicht so evi­dent wird, darf man natür­lich auch nie wirk­lich bei einem The­ma blei­ben. Nebel­ker­zen zün­den, The­men wech­seln, sich nie fest­le­gen, vom einem zum ande­ren kommen. 

Wie ich sie has­se, die­se Zau­be­rer, Höl­len­feue­rer und Feu­er­spu­cker und ihre dadaes­ken Wohl­lau­te, die­se Gim­pel des Gar­nichts. Ein Groß­teil, ein sehr gro­ßer, ja, man kann sagen, der abso­lut über­wie­gen­de Größt­teil des Ver­sa­gens der poli­ti­schen, geis­ti­gen und wirt­schaft­li­chen Eli­te der jet­zi­gen Neu­zeit ist dar­auf zurückzuführen.

Denn von den Wor­ten kaschiert, schlän­gelt sich ihr Ver­hal­ten durch die end­lo­sen Kor­ri­do­re kaf­ka­es­ker Schlös­ser mit ihren Laby­rin­then und mäan­dert ins Nir­wa­na der Ver­ant­wor­tungs­lo­sig­keit. Kon­se­quen­zen für irgend­wen, irgend­wann? Kei­ne Zeit dafür, zur­zeit ist es nicht die Zeit dafür, das war vor einer ande­ren. Die war ohne­hin besser.

Leer­for­meln und Wort­hül­sen als Opi­um für das Volk, Reli­gi­on braucht es nicht mehr unbe­dingt, kann aber nie scha­den. Immer­hin wird in ihrem Namen und mit ihr im Namen (wie­der die­se Wör­ter) fast jeder eini­ger­ma­ßen anstän­di­ge Krieg ange­zet­telt und geführt.

Kurz­um: Ich wer­de nie ver­ste­hen, wie man so tief sin­ken kann, mit mög­lichst vie­len Wor­ten abso­lut nichts zu sagen.

Ich auch nicht“, sagt sich und ihm Hermann.

3 thoughts on “...und kein Mann der Worte – ein Stück

  1. Volker sagt:

    Armin, bist Du’s?

  2. Arnim sagt:

    Na ja, der Scholzo­mat und die meis­ten ande­ren Poli­ti­ker sind auch nicht bes­ser, oder? Von Jour­na­lis­ten und Lite­ra­ten ganz zu schweigen.

  3. Joost sagt:

    Lie­ber Her­mann, ich bit­te höf­lichst, aber ein­drück­lich, um Infor­ma­ti­on über das Kraut, dass du wäh­rend des Ver­fas­sens die­ses Tex­tes geraucht hast. Alter­na­tiv um Anga­be der Flüs­sig­keit, die du zu dir genom­men hast.
    Mein Gott, was für eine – und Dan­ke für unter ande­rem die­ses für mich neue Wort – „Schwa­dro­na­de”!

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