„Lieber Hermann“, so schreibt er in seiner Mail,
„du hast ja meinen Cousin schon kennen gelernt, diesen unglaublich unglaubwürdigen Schachtler, der die Uneigenart hat, das Vollverb immer erst am am Ende eines Satzes, egal wie lang dieser ist, welchen Sinn oder Unsinn er haben mag, was natürlich auch immer oder primär im Auge – oder besser ‑im Verstand des Betrachters liegt, zu setzen. (Naa, Staupeianer, wem kommt das bekannt vor?)
Ich hingegen bin, ganz aus der Art geschlagen, wie du weißt, weiß Gott kein Mann der großen Worte. Schon gar nicht der überflüssigen. Und gar gar nicht der leeren. Worte müssen eine Bedeutung haben, einen Inhalt, einen Wert, eine Relevanz. Sie dürfen nicht missbraucht werden, um ein inhaltliches Nichts zu kaschieren oder den Wortgeber prunkvoll herauszuputzen.
Worte ohne Sinn und Substanz, die zu Sätzen ohne Sinn und Substanz führen, sinn- und substanzlos. Dröhnende Leere, vollgestopft mit Wortgeklingel. Muss es nicht eigentlich „Wörter“ heißen? Machen Wörter nicht Worte? Was sie auf jeden Fall nicht machen, ist Sinn; aber gerade das sollen sie überspielen. Sie existieren also, um die Sinnlosigkeit ihrer Existenz zu camouflieren. Und das mit der Sprengkraft einer Banane.
Einbeinige Tänzer tanzen den Trias-Walzer der rhetorischen Stilmittel, für viele der einzige Tanz, den sie kennen, darum in Endlosschleife. Die vielbesungenen Lotsen des Geblubbere, diese Nichtsnutze, Strolche und Tagediebe lassen einzelne Worte, ein äußerst dürres Rinnsal, in kleine Kanäle münden, zu trägen Flüssen, dann über gleißende Wasserfälle zu mächtigen Strömen, durch Stromschnellen zu reißenden Megaflüssen, die sich schließlich mit all ihrem Geseiche in die Ozeane der Verbalonanie ergießen. Prächtige Bilder voller Farbe, mit dickstem Pinsel aufgetragen, Ornamente, Stuck und Verzier, phantastische Allegorien, vor vermeintlicher Kraft strotzende Metaphern – alles wird von diesen nichtswürdigen Versagern, Wichten und Blindgängern eingesetzt, um die Essenz zu kaschieren: Zero, nada, nothing. Kein kleines bisschen Sinngehalt, kein Hauch von Gewicht, kein kleinster Funken von Geltung.
Floskelnarzissten drechseln Wortgirlanden und schaumschlagen Verbalkaskaden. Sie schwätzen, faseln und labern mit ihren Ungeistesverwandten, den Spiegelfechtern der Doppelnull, den Himmelsstürmern, die noch nie irgendetwas für irgendwen vom Himmel geholt haben, und den Sphärenschleifern des eigenen Nichts. Leistungsschwache Versager ohne Format, Blindgänger ohne Präsenz und Tagediebe der Lücke, die verschleiern und vertuschen, dass ihre hohlen Phrasen und leere Floskeln nur Hungerhaken und Klappergestelle sind, die nichts zwischen den Rippen haben, nur noch ein Haufen Knochen sind, Müll und wertlos. Gerede ohne Inhalt, Gewäsch ohne Belang, Geschwafel ohne Bedeutung. Alles ein einziges großes Palaver, eine endlose Schwadronade, in der sich Feuerspucker, Nebelwerfer und Sternentänzer positionieren und prostituieren. Hauptsache, es hört sich eindrucksvoll an oder liest sich gut.
Mit professioneller Benutzung eines Thesaurus die intellektuelle Unfähigkeit kaschieren. Die eigene verbale Diarrhöe immer schön mit wortgewaltiger Unverbindlichkeit verheiraten. Damit dies nicht so evident wird, darf man natürlich auch nie wirklich bei einem Thema bleiben. Nebelkerzen zünden, Themen wechseln, sich nie festlegen, vom einem zum anderen kommen.
Wie ich sie hasse, diese Zauberer, Höllenfeuerer und Feuerspucker und ihre dadaesken Wohllaute, diese Gimpel des Garnichts. Ein Großteil, ein sehr großer, ja, man kann sagen, der absolut überwiegende Größtteil des Versagens der politischen, geistigen und wirtschaftlichen Elite der jetzigen Neuzeit ist darauf zurückzuführen.
Denn von den Worten kaschiert, schlängelt sich ihr Verhalten durch die endlosen Korridore kafkaesker Schlösser mit ihren Labyrinthen und mäandert ins Nirwana der Verantwortungslosigkeit. Konsequenzen für irgendwen, irgendwann? Keine Zeit dafür, zurzeit ist es nicht die Zeit dafür, das war vor einer anderen. Die war ohnehin besser.
Leerformeln und Worthülsen als Opium für das Volk, Religion braucht es nicht mehr unbedingt, kann aber nie schaden. Immerhin wird in ihrem Namen und mit ihr im Namen (wieder diese Wörter) fast jeder einigermaßen anständige Krieg angezettelt und geführt.
Kurzum: Ich werde nie verstehen, wie man so tief sinken kann, mit möglichst vielen Worten absolut nichts zu sagen.“
„Ich auch nicht“, sagt sich und ihm Hermann.
Armin, bist Du’s?
Na ja, der Scholzomat und die meisten anderen Politiker sind auch nicht besser, oder? Von Journalisten und Literaten ganz zu schweigen.
Lieber Hermann, ich bitte höflichst, aber eindrücklich, um Information über das Kraut, dass du während des Verfassens dieses Textes geraucht hast. Alternativ um Angabe der Flüssigkeit, die du zu dir genommen hast.
Mein Gott, was für eine – und Danke für unter anderem dieses für mich neue Wort – „Schwadronade”!